Ein richtig guter Roman über eine mutige junge Frau im London der frühen 1940er Jahren
Autor: A.J. Pearce
Titel: Liebe Mrs. Bird
Original Titel: Dear Mrs Bird
Übersetzer/in: Silke Jellinghaus
Verlag: Rowohlt Kindler
Herkunft des Buches: gekauft
Format: Gebundene Ausgabe
ISBN: 9783463400976
Seiten: 416
Veröffentlichungsdatum: 25.09.2018
Preis: 20,00€
Klappentext:
Der Sunday-Times-Bestseller: Ein charmanter Roman über den Mut ganz normaler Menschen in außergewöhnlichen Zeiten London 1941, die Bomben fallen auf die Stadt. Emmeline Lake träumt davon, eine berühmte Kriegskorrespondentin zu werden. Als sie eine Anzeige für einen Job beim London Evening Chronicle sieht, scheint ihr Traum in greifbare Nähe gerückt zu sein. Stattdessen stellt sich heraus, dass sie als Sekretärin bei der berühmten und sehr grimmigen Kummerkastentante, Henrietta Bird, arbeiten soll. Ihr Haupt-Tätgikeitsfeld wird darin bestehen, die Leserbriefe für Mrs. Bird vorzusortieren. Emmeline ist enttäuscht, aber sie reißt sich zusammen und kämpft sich durch. Die Anweisungen von Mrs. Bird sind unmissverständlich: Alle Briefe, die irgendwie anstößig sind, gehen sofort in den Papierkorb. Doch Emmy liest Briefe von Frauen, die mit ihren Verlobten zu weit gegangen sind oder die sich von ihren Männern mehr körperliche Aufmerksamkeit wünschen. Emmy fühlt mit ihnen: Sie beginnt, den Frauen Antworten zu schreiben. Und unterzeichnet mit Mrs. Bird... Ein Buch zum Verlieben: nostalgisch und herzerwärmend.
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Link zur Verlagsseite: Liebe Mrs. Bird beim Rowohlt Verlag
Bewertung: 4,5 Sterne
Rezension
London, Dezember 1940: Emmys größter Traum ist es, Journalistin zu werden, am liebsten Kriegsberichterstatterin. Sie will an forderster Front stehen und über Dinge berichten, die wirklich wichtig sind. Als sie eine Stellenanzeige findet – direkt unter einer, die eine Marmeladen-Köchin sucht – hält sie das für ihre große Chance. Sie schreibt sofort ihre Bewerbung und schwebt auf Wolken. Bis sie mit einem ziemlich harten Plumps wieder auf dem Boden aufschlägt: die Stelle sucht niemanden für „richtigen“ Journalismus, es geht lediglich darum, als Sekretärin für „Mrs. Bird“ zu fungieren. Mrs. Bird hat eine Ratgeber-Kolumne und Emmys hauptsächliche Aufgabe ist es, die Leserbriefe vor zu sortieren. Die wichtigste Regel: alles anstößige landet sofort im Papierkorb. Doch Emmy bringt es nicht über sich diese teilweise verzweifelten Frauen im Stich zu lassen und beginnt ihnen heimlich zu antworten, unterschrieben mit Mrs. Bird.
Emmy war mir direkt sympathisch. Sie ist eine zupackende junge Frau, die ihren Beitrag im Krieg leistet. Sie arbeitet freiwillig als Telefonistin bei der Feuerwehr und riskiert ihr Leben. Und trotz nur weniger Stunden Schlaf gibt sie auch für die Briefeschreiberinnen alles. Mrs. Bird weigert sich, sich mit irgendetwas ernsthaftem oder wichtigem zu beschäftigen. Die Liste der Themen, die ihr nicht unter die Augen kommen sollen, ist endlos. Doch Emmy bringt es irgendwann einfach nicht mehr über sich, die Briefe zu zerschneiden und wegzuwerfen. Sie kann diese verzweifelten Frauen nicht mehr ignorieren.
Ihnen zu antworten ist extrem riskant. Besonders, als sie auch noch dafür sorgt, dass der ein oder andere Brief sogar abgedruckt wird, weil sie keine Adresse der Absenderin hat. Wenn das alles auffliegt, kommt sie in Teufelsküche. Aber es ist ihr das Risiko wert. Sie kann einfach nicht anders.
Ihre Antworten sind sehr einfühlsam und nicht bloß heiße Luft. Sie fühlt sich in diese Frauen ein und versucht ihnen wirklich zu helfen, ihnen eine Freundin oder große Schwester zu sein.
Gleichzeitig geht ihr „normales“ Leben weiter. Sie arbeitet in zwei Jobs und wird nur für einen bezahlt. Sie lernt einen jungen Mann kennen, geht auch mal ins Kino oder Tanzen. Währenddessen fallen Bomben andauernd auf London und von jetzt auf gleich sind ganze Straßen einfach weg. Sie sitzt am Telefon und nimmt die Treffer und daraus entstandenen Feuer auf, sie bleibt am Telefon, während die Bomben fallen, anstatt sich in einem Bunker zu verstecken. Doch auch Emmy bleibt vom Krieg nicht verschont. Auch sie erlebt Tragödien.
Die Wendung ist ziemlich erschütternd. Ich meine, das gesamte Buch über ist einem klar, dass Krieg ist, aber da ist man plötzlich mittendrin. Emmy sieht Verletzte und Tote und muss schwere Entscheidungen treffen, für die sie sich selbst hasst. Aber gerade das macht das Ganze so realistisch. So war das damals. Es ist tragisch, was da passiert ist und wie es danach weitergeht, aber auch das ist realistisch. Menschen sind nun mal so. Ich muss hier leider so kryptisch bleiben, sonst würde ich spoilern.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich und zwar, dass Emmy an einem Punkt sehr deutlich ihre Meinung sagt und in meinen Augen absolut im Recht ist. Doch sie knickt ein und versucht diese Meinung wieder zurückzunehmen. Gut, das passt vielleicht auch einfach zu der Zeit damals, aber mich wundert es nicht, dass der Versuch scheitert und sich alles noch mehr hochschaukelt, weil ihr Gegenüber nur Schwachsinn von sich gibt. Klar, will derjenige das nicht hören, was ihm Emmy vorwirft, aber sie hat recht! Viele lassen sich in dieser Art Beruf hinreißen und riskieren zu viel. In der Situation denke ich braucht man jemandem, der einem das auch mal ins Gesicht sagt. Wie gesagt, ich finde es schade, dass sie sich selbst da so fertig macht, weil es Streit gegeben hat. In meinen Augen hat sie recht und der Streit war notwendig.
Fazit: Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Ich finde es ist nicht nur interessant und teilweise emotional nicht ohne, sondern wirkt auch sehr realistisch. Gut, ab und an wird vielleicht etwas dick aufgetragen, aber es war jetzt auch nicht so schlimm, dass es mich genervt hat. Mich hat es nur etwas gestört, wenn Emmy ihrer Meinung nicht treu geblieben ist und gekuscht hat. Sie ist einfach nicht der Typ dafür. Sie war meiner Meinung nach bei dem Streit, der ein zentrales Thema in der zweiten Hälfte wird, im recht und hat alles durch ihren Versuch das wieder zurückzunehmen nur schlimmer gemacht, weil ihr Gegenüber dann Schwachsinn ohne Ende von sich gegeben hat. Da hätte ich mir von ihr mehr Durchsetzungskraft gewünscht.
Ich fand es super wie der Krieg ständig präsent war, allein schon durch Emmys zweiten Job. Er war immer da, sodass er schon fast zu einer Art Hintergrundrauschen wurde, doch dann passierte wieder etwas, dass Emmy persönlich tangierte und einem wurde plötzlich wieder klar, dass das ein „echter“ Krieg ist, von dem hier die Rede ist und obwohl Emmy an die Gefahr gewöhnt ist, diese doch sehr real ist.
Von mir gibt es 4,5 Sterne. Mir hat das Buch wirklich richtig gut gefallen.