Für mich, trotz eines kleinen Kritikpunktes, ein Highlight
Autor: Enisa Carter
Titel: Wenn Wellen brechen
Verlag: -
Herkunft des Buches: Rezensionsexemplar
Format: eBook
ISBN: -
Seiten: 192
Veröffentlichungsdatum: 27.05.2021
Preis: 2,99€ (eBook)
Klappentext:
Ich schaute zum Meer und beobachtete, wie die Wellen gegen die Felsen schlugen. Mit einem Wahnsinnstempo krachten sie gegen alles, was ihnen in den Weg kam. Noch nie hatte ich ihre Kraft so wahrgenommen wie in diesem Augenblick.
Die zwanzigjährige Annie hat es nicht leicht. Jahrelanges Mobbing und Einsamkeit haben sie in einen ängstlichen Menschen verwandelt, der sich vor dem Leben fürchtet. Flashbacks und Panikattacken gehören zu ihrem Alltag. Alles ändert sich jedoch, als sie dem attraktiven Marc begegnet. Er verbringt ein paar Wochen in Wilhelmshaven, wo Annie lebt und studiert. Stück für Stück heilt er ihre kaputte Seele und lässt sie sich wieder ganz fühlen. Doch Marc hat ein Geheimnis, das ihre Beziehung für immer zerstören könnte.
Hat ihre Liebe unter diesen Umständen eine Chance?
Rezension
Triggerwarnung: Mobbing! – nehmt das bitte ernst. Mobbing wird hier sehr deutlich und aus der Sicht einer Betroffenen geschildert. Wenn ihr Mobbing erlebt hat, wird es einiges wieder aufwühlen, macht euch bitte darauf gefasst.
Annie wurde in der Grundschule gemobbt und das hat bei ihr deutliche Spuren hinterlassen. Sie leidet bis heute unter Panikattacken, Selbstzweifeln und Einsamkeit. Sie dachte sie hätte eine Freundin gefunden, doch auch sie hat sie eiskalt abserviert. Zu oft wurde auf ihrem Herzen herumgetrampelt. Doch dann begegnet sie einem jungen Mann, der ihr das Gefühl gibt, alles sei möglich. Doch er hat ein Geheimnis und das könnte alles zerstören und Annie tief verletzen – erneut.
Ich finde in diesem Buch steckt so viel mehr, als man auf den ersten Blick erwarten würde. Man denkt: ja, New Adult, ja, großes Geheimnis, schon klar, wieder 08/15. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Das Geheimnis wird sehr früh für den Leser gelüftet, aber nicht für Annie. Der Leser weiß was Sache ist und es ist zwar klar, was passieren wird, aber das stört überhaupt nicht, weil es nicht darum geht, sondern um so viel mehr.
Achtung, im Rest der Rezension geht es um einen kleinen Spoiler. Das wird schon im ersten Viertel gelüftet und noch früher kann man es erraten, aber ohne den Spoiler kann ich euch nicht sagen, warum mir das Buch so gut gefallen hat!
Der junge Mann, den Annie zufällig kennengelernt hat ist Mike. Der Mike, der sie in der Grundschule gemobbt hat, der ihr das Leben zur Hölle gemacht und sie an den Rande des Zusammenbruchs getrieben hat. Gut, er war es nicht allein, aber alles fing mit ihm an und er war es, der immer weiter Öl ins Feuer gegossen und alles schlimmer gemacht hat.
Annie erkennt ihn nicht – wie auch, das alles ist 11 Jahre her. Doch als sie ihm bei ihrer zweiten Begegnung ihren Namen nennt, ist ihm klar, wer sie ist. Aber Mike ist nicht mehr der, der er einmal war. Er war furchtbar als Kind, als Jugendlicher und auch noch bis vor einiger Zeit, doch er hat sich verändert und er bereut, was er Annie angetan hat. Er mag sie, sehr sogar und der Gedanke, dass sie rausbekommen könnte, wer er ist, bringt ihn um. Mike weiß, dass er sie dann verlieren würde.
Wer gemobbt wurde weiß, was das für Schäden anrichtet. Wie tief die Wunden sind. Ich wurde meine gesamte Schulzeit an drei verschiedenen Schulen gemobbt. Bei mir war es nicht so sehr die Kleidung oder die Herkunft wie bei Annie, bei mir war es das Dicksein und die guten Noten. Auch bei mir gab es immer wieder Lehrer, die involviert waren, wie auch bei Annie. Eine Grundschulsportlehrerin, die es geliebt hat mich vor allen vorzuführen, eine Klassenlehrerin, die mich mit den Mobbingvorwürfen vor der gesamten Klasse konfrontiert hat – ich solle das doch noch mal vor allem wiederholen – und die der Meinung war, ich würde meine Mitschüler durch mein Übergewicht und meine guten Noten „provozieren“, ich solle einfach abnehmen und auch mal schlechte Noten schreiben, dann würde sich das schon legen.
Ich weiß also was Annie durchgemacht hat und jeder, der so etwas erlebt hat, weiß, dass man die psychischen Folgen ein Leben lang mehr oder weniger stark mit sich herumschleppt. Was man dabei aber nie bedenkt ist, was mit dem Mobber ist. Warum wird er zum Täter? Wie fühlt er sich mit seinen Taten, Jahre oder gar Jahrzehnte später?
Mike zeigt uns all das. Wie es damals für ihn war, wie er sich heute mit Schuldgefühlen herumschlägt, nicht nur wegen Annie.
Fazit: Ich finde die Message dieses Buches unglaublich wichtig. Es geht in meinen Augen nicht wie man oberflächlich meinen könnte um Vergebung. Meiner Meinung nach geht es um etwas, was man sich als Mobbing-Opfer niemals vorstellen kann: dass sich Mobber verändern. In unseren Köpfen bleiben sie immer diese unvorstellbar grausamen, gemeinen Menschen, die uns so sehr verletzt haben. Dass sie bereuen, was sie getan haben, dass es sie quält, das erscheint unbegreiflich. Aber genau darum geht es hier. Es geht nicht nur darum Mobbing anzuklagen, zu verurteilen und die Folgen vor Augen zu führen. Es geht um so viel mehr. Es geht, wenn man so will, um die dunkle Seite des Mondes – die andere Seite des Mobbings. Und das macht dieses Buch für mich zu einem Highlight.
Als Bonus obendrauf gibt es noch tolle Protagonisten und eine schöne Story zum Mitfühlen. Gut am Ende geht mir einiges etwas zu schnell, aber das stört mich jetzt auch nicht extrem. Kritiker könnten anführen, dass das Buch eine naive Wunschvorstellung abbildet, aber ich bin der Meinung, dass es hilft zu heilen und über den eigenen Schmerz hinaus zu blicken.
Von mir bekommt das Buch volle 5 Sterne.